Dachauer Dialoge
Max Mannheimer und Schwester Elija
Max Mannheimer (1920 – 2016), einer der bekanntesten Zeitzeugen des Holocaust und
Sr. Elija Boßler, Karmelitin im Kloster Karmel Heilig Blut in Dachau.
Zwei außergewöhnliche Persönlichkeiten.
Eine fast dreißig Jahre währende Freundschaft.
Zwei exemplarische Perspektiven auf die Shoah, auf Schuld, Religiösität, Versöhnung und Verantwortung.
Ein Jude und eine Nonne.
Ein Gespräch.
Am 21. und 22. Oktober 2015 im Kloster Karmel Heilig Blut, Dachau und in der KZ-Gedenkstätte Dachau aufgezeichnet.
Eine tiefe Freundschaft
Max Mannheimer (1920 – 2016) und Sr. Elija Boßler verband über viele Jahre eine tiefe Freundschaft. Regelmäßig begegnen sie sich in der KZ Gedenkstätte Dachau oder im direkt benachbarten Kloster. Für nicht wenige Menschen ist diese Beziehung zwischen „Jude und Nonne“ eine Zumutung. Die Filmemacher Marina Maisel und Michael Bernstein sehen aber genau darin eine wichtige Botschaft, die sie dokumentieren und weitergeben wollen. Sie laden Mannheimer und Sr. Elija im Oktober 2015 ein, vor der Kamera ein Gespräch miteinander zu führen.
Entstanden ist daraus der Film „Dachauer Dialoge“, der einen einmaligen, jüdisch-christlichen Dialog dokumentiert, der eine wegweisende Freundschaft porträtiert und der uns mitnimmt in eine intensive Auseinandersetzung mit aktuellen, universellen, aber auch ganz persönlichen Fragen.
Das Vertrauen auf die Kraft der Worte und das Charisma zweier außergewöhnlicher Protagonisten zeichnen diesen Film aus, machen ihn zu einem besonderen Erlebnis und zu einem einzigartigen, zeitgeschichtlichen Dokument. „… wer da zuhört, weint bittere Tränen über die Vergangenheit und lernt mit der Seele für das Miteinander von Menschen und Religionen.“, so die Regionalbischöfin von München, Susanne Breit-Keßler.
BIOGRAFIE – Max Mannheimer
Max Mannheimer wurde 1920 als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Neutitschein (damals Tschechoslowakei) als ältestes von fünf Kindern geboren. Von 1934 bis 1936 besuchte er die Handelsschule, danach arbeitete er in einem Kaufhaus. 1938 wurden Mannheimers von den Nazis aus Neutitschein vertrieben und zogen nach Ungarisch Brod (damals Slowakei). Max musste im Straßenbau arbeiten – weil Juden nur noch körperliche Arbeit erlaubt war. 1942 heiratete er Eva Bock. Ende Januar 1943 wurde die Familie über Theresienstadt nach Auschwitz deportiert. Seine Eltern, seine Frau Eva und drei seiner Geschwister wurden dort ermordet. Max und sein Bruder Edgar überlebten Auschwitz, Warschau, Dachau und Karlsfeld. Im Mühldorfer Hart mussten sie zuletzt beim Bau des monströsen Rüstungsbunkers arbeiten. Dabei starben in den letzten Kriegstagen noch etwa 3.000 Häftlinge. Max und Edgar wurden bei Tutzing am 30. April 1945 von den Amerikanern befreit. Mannheimer heiratete die deutsche Elfriede Eiselt, die das oppositionelle Deutschland verkörperte, und zog mit ihr und der gemeinsamen Tochter 1946 nach München. In den 50er Jahren begann er unter dem Pseudonym ben jakov (Sohn Jakobs – zum Andenken an seinen ermordeten Vater) zu malen. Elfriede starb 1964 an Krebs. Im gleichen Jahr schrieb Mannheimer sein „Spätes Tagebuch“, das erst 1985 veröffentlicht wurde. 1965 heiratete er die Amerikanerin Grace Franzen, mit der er einen Sohn bekam. 1993 starb sein Bruder Edgar Mannheimer. Bis zu seinem Tod am 23. September 2016 besuchte Max Mannheimer unermüdlich als Zeitzeuge Schulen in ganz Deutschland, hielt Vorträge und klärte vor allem junge Menschen über die Diktatur und die Verbrechen der Nazis auf. Seine zentrale Botschaft dabei: „Ich erkläre, dass die Nachgeborenen keine Schuld haben, aber eine Verantwortung für die Zukunft.“
BIOGRAFIE – Sr. Elija Boßler
Sr. Elija Boßler wurde 1943 als Elisabeth Boßler in Paderborn geboren. Sie wuchs in der Kleinstadt Geseke auf, wo ihre Eltern ein Textilgeschäft betrieben. Nach Schule und kaufmännischen Lehre zog Elisabeth Boßler 1965 nach München, um in einer kleinen, exklusiven Modeboutique zu arbeiten. In dieser Zeit besuchte sie das neu errichtete Kloster Karmel Heilig Blut in Dachau. Im Februar 1966 trat sie dem Orden bei. Sie legte ihren Namen Elisabeth ab und entschied sich für Elija, den Namen eines Propheten des Alten Testaments. 1982 ging Sr. Elija für zwei Jahre nach Berlin, um beim Aufbau des dortigen Karmel zu helfen. Noch einmal verließ Sr. Elija ihr Kloster in Dachau im Jahr 2007 für drei Jahre, um als Oberin im Franziskanerinnerkloster in Reutberg zu wirken. Seit Mitte der 80er Jahre begann sie, Überlebende des KZ, die in die Gedenkstätte kamen, zu fotografieren und ihre Lebensgeschichten in Gesprächen und Interviews zu dokumentieren. Ihre zahlreichen, beeindruckenden Porträts, die dabei in über 30 Jahren entstanden, wurden immer wieder ausgestellt. Anlässlich einer Veranstaltung zum Gedenken an 50 Jahre „Kristallnacht“ lernte Sr. Elija 1988 Max Mannheimer kennen, mit dem sie bis zu seinem Tod in enger Freundschaft verbunden war. Sie betreute das künstlerische Werk ben jakovs alias Max Mannheimer und organisierte zusammen mit ihm regelmäßig Ausstellungen seiner Werke.
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